Mantel

Mantel | Birgit Rückert
2016, Textil, Acryl, 1,25 cm x 0,85 cm

Auf einem Waldspaziergang entdeckte ich einen Herren-Trenchcoat, der von einem Baumstamm herabhing. Zunächst gruselte mich ein wenig, vermutete ich doch, jemand könne sich etwas angetan haben … zum Glück fanden sich keine weiteren Spuren oder Hinweise. Ich ging vorüber, doch der Mantel ließ mich nicht los, so dass ich ihn auf meinem Rückweg schließlich abhängte und in ein Betttuch einwickelte, welches sich im Kofferraum meines Autos befand.

Zu Hause angekommen, gönnte ich beiden eine 95°-Grad-Wäsche in meiner Waschmaschine, mit dem Ergebnis, dass sich die Teile farblich sehr schön monochrom angeglichen hatten. Beige und beige. So bot sich das Betttuch als Hintergrund an, ich spannte es auf einen Rahmen und befestigte den Mantel darauf.

Bei näherem Betrachten entdeckte ich auf der rechten Seite in Taschenhöhe ein Loch in dem Kleidungsstück. Emotional gerade mit der Trennung von einem Herrn beschäftigt, empfand ich diesen „Zufall“ als perfekt passend. Sogleich assoziierte ich Abnabelung, Loslösung … die Fehlstelle färbte ich rot, als sichtbar gemachte Wunde. Anschließend verbannte ich den „Herrn“ hinter Gitterstäbe, die ich aus Wollbändern fertigte.

Jahrelang hatte das Werk diesen Ausdruck, bis feststellte, dass er nicht mehr passend war. Zwischenzeitlich hatte ich die Trennung akzeptiert und gut in meinen Lebenslauf integriert. Daher löste ich die Gitterstäbe und befreite somit die Figur. Auch farblich war die Erinnerung nicht mehr in der vorhandenen Form zu halten. Alles war im Rückblick inzwischen milder und richtiger geworden. Konsequenterweise tauchte ich daher die Szene in weiße Farbe ein, d. h. ich habe Frieden mit dem, was war, geschlossen.

Mantel vorher | Birgit Rückert
Mantel vorher | Birgit Rückert

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